Das größte Projekt der Weltgeschichte

Ist die Erde noch zu retten?

„I’m a prisoner of hope.“ – Hans Joachim Schellnhuber präsentiert sich im Gespräch als Optimist, warnt jedoch eindringlich davor, die Veränderungen des Klimas zu unterschätzen. Er gehört zu den weltweit renommiertesten Klimaexperten, und sagt als solcher deutlich, viele in der Politik haben immer noch nicht begriffen, wie dramatisch die Situation sei. Er muss es wissen als langjähriges Mitglied sowohl des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung für globale Umweltveränderungen als auch des Weltklimarats.

Karsten Schwanke (Meteorologe) und Stephan Andreae trafen den Mann, der als einer der ersten forderte, nachhaltige Lösungen des Klimaproblems zu suchen. Kaum ein zweiter prägte die internationale politische Diskussion hierzu wie Schellnhuber dies nach wie vor tut. Wie hoch die Chancen stehen, diesen Planeten noch zu retten? Bei 19 Prozent, so seine erstaunlich genaue Antwort. Muss uns das beunruhigen?

Klimaforscher Hans Joachim Schellnhuber © CC0 Public Domain

Als Berater der Bundesregierung, verzweifeln Sie da nicht?

Also darauf kann ich jetzt eine philosophische Antwort geben oder auch eine lebenspraktische. Es gibt Tage, an denen ich mich beim Aufstehen ziemlich niedergeschlagen fühle, und dann gibt es Tage — man hat vielleicht den Tag zuvor gut zu Abend gegessen — da bin ich wieder ganz optimistisch. Ich bin da tatsächlich gewissen Stimmungsschwankungen unterworfen. Aber wie meine Frau gerne sagt: „I’m a prisoner of hope“. Mir bleibt gar nichts anderes übrig als fest an die Möglichkeit zu glauben, dass wir eine komplette Klimadestabilisierung noch verhindern können — und die Möglichkeit ist in der Tat gegeben.

Ich bin einmal von Umweltministerin Barbara Hendricks gefragt worden: „Wie hoch schätzen Sie denn die Chance ein, dass wir das noch hinkriegen?“ Da sagte ich: „19 Prozent Erfolgschance kommt bei mir heraus“. Das ist zwar eine nur halb ernst gemeinte Rechnung, aber sie hat durchaus eine Grundlage. Und da meinte Frau Hendricks: „Was? Nur 19 Prozent?“ Ich sagte: „Das ist eine ganze Menge“. Wenn es darum geht, die Welt zu retten, dann sind 19 Prozent eine verdammt gute Chance. Es könnten auch nur 0,5 oder noch weniger sein. Wenn es um alles geht, würde man jede Chance ergreifen. Und 1:5 ist gar nicht so schlecht. Die Leute spielen sogar Lotto, obwohl da die Gewinnchance auf einen Hauptgewinn 1:140.000.000 ist.

Tragen die Leute ihr Geld nicht freiwillig zum Finanzamt, wenn sie Lotto spielen?

Ganz genau, man verschenkt sein Geld für eine Chance, die quasi nicht existent ist. So gesehen, da ich selbst nicht Lotto spiele, wage ich meinen Einsatz eher bei der Rettung des Planeten. Da ist die Erfolgschance deutlich besser.

Vielleicht können wir aus diesem Lottospiel etwas lernen. Viele Menschen haben ja große Angst davor, dass ihnen etwas weggenommen wird oder sie ihr Leben verändern müssen, Angst davor, dass es sich zum schlechteren verändert. Kann es sein, dass wir noch nicht die richtigen Zugänge oder Instrumente gefunden haben?

Sie spielen auf Anreize oder Belohnungen an. Doch wäre es nicht eine wunderbare Belohnung, aus Moral und Verstand heraus eine große Transformation durchzuführen? Ein neues Projekt der Moderne, wo wir uns nicht zufällig durch irgendwelche ökonomischen Irrläufer, sondern ganz bewusst in die Nachhaltigkeit hinein umgestalten. Ich denke, das wäre eine große Belohnung, eine größere als im Lotto zu gewinnen ist.

Da belohnen sich die Leute nur selbst, privat. Das ist ja der riesige Anreiz. Die gesellschaftliche Belohnung ist vollkommen offenkundig, aber die Egoisten werden dieser nicht folgen.

Ja, aber es ist ja durchaus egoistisch, wenn man sagt: „Hey, ich war Teil des größten Projekts der Weltgeschichte, ich habe zur Rettung der Welt beigetragen.“ Ich persönlich würde mich dann verdammt gut fühlen. (lacht)


Das vollständige Interview wird im Katalog zur Ausstellung „Wetterbericht“ erscheinen. Hans Joachim Schellnhuber spricht darin u.a. über die Weltklimakonferenz in Bonn, seinen Umgang mit Skeptikern und persönliche Anfeindungen, und warum gerade er ein erklärter Gegner des Geo Engineerings ist.

WETTERBERICHT
ÜBER WETTERKULTUR UND KLIMAWISSENSCHAFT
6. Oktober 2017 bis 4. März 2018

  1. Erde © CC0 Public Domain

Ein Kommentar zu "Das größte Projekt der Weltgeschichte"

  1. Also ich finde, dass wir uns mehr um die Natur kümmern sollten, als dass wir dauernd die Umwelt verschmutzen. Man sollte besser auf Fahrrad oder
    öffentliche Verkehrsmittel (z. B.:VRS) umsatteln. Sie wollen ja mehr E- Busse kaufen.

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