Der Künstler Achim Mohné ruht auf seinem Kunstwerk. Ein großflächiges Mosaik einer Aufnahme der Erde.

Der Künstler und sein Werk: Achim Mohné – 0,0064 Megapixel

Die Kunst mit Füssen treten

6.400 Bodenplatten, ein Symbol

Anlässlich der Weltklimakonferenz in Bonn und im Rahmen der Ausstellung Wetterbericht. Über Wetterkultur und Klimawissenschaft hat der Künstler Achim Mohné eine großflächige Arbeit geschaffen, die noch bis zum 4. März 2018 auf dem Vorplatz der Bundeskunsthalle zu sehen ist. Mohné transformiert die weltweit bekannte Aufnahme „Earthrise“ aus dem digitalen in den physischen Raum. Entstanden ist der analoge Nachbau einer digitalen Bildstruktur: ein großflächiges Mosaik aus 6400 quadratischen Bodenplatten.
Wir sprachen mit dem Künstler über eines der einflussreichsten Fotos der Klimaforschung, über die Verletzlichkeit der Erde, seine politische Motivation und David Bowies „Space Oddity“.

„Earthrise“ ist 1968 bei der Umrundung des Mondes entstanden – ein ikonisches Bild, das große Wirkung für Klimaforschung und Umweltschutz erzielte. Wie wichtig ist es dir, daran zu erinnern?

Es ist eines der schönsten und vielleicht wichtigsten Fotos, die je entstanden sind. Die Ästhetik von „Earthrise“ hat ein Bewusstsein für die Einmaligkeit unseres Planeten geschaffen. Die Atmosphäre wurde erstmalig im Verhältnis zum Volumen des Globus als extrem fragile, hauchdünne Schicht sichtbar, und sie demonstrierte die Verletzlichkeit des Planeten und der Natur. Daran kann man nicht oft genug erinnern in Anbetracht der drohenden, teilweise schon realen Klimakatastrophe.
Aufgenommen wurde das Bild am 24. Dezember 1968 mehr oder weniger zufällig, weil die Erde plötzlich in einem Seitenfenster der Kapsel auftauchte. Ziviler oder auch militärischer Ungehorsam spielten auch eine Rolle, denn der Astronaut Bill Anders handelte entgegen seines Dienstplans, der lautete, den Mond zu kartografieren. Weil er aber von der Schönheit der Erdkugel so fasziniert war, hat er eigenständig gehandelt und dieses Foto geschossen. Ich empfehle sehr, sich den Funkkontakt zwischen Houston und Apollo 8 anzuhören, der diese Faszination dokumentiert.

Für deine Arbeit „0,0064 Megapixel“ waren 6400 Bodenplatten nötig, was nach einer Menge Arbeit klingt. Wie lang waren du und dein Team damit beschäftigt?

Die reine Aufbauzeit betrug zehn Tage mit zehn Mitarbeitern, aber zunächst mussten die Baupläne erstellt werden. Eine große Herausforderung war es, das digitale Bild in ein analoges zu verwandeln und dabei die Auflösung nur so zu reduzieren, dass man das Bild in dieser Dimension noch erkennt. Hunderttausende Pixel mussten mit 6400 Bodenplatten zur Deckung gebracht werden, die Millionen von Farben des Computerbildschirmes, die im RGB-Format angelegt sind, auf nur 24 Töne im RAL-Format, welches für die Betonfarbe ausschlaggebend war, transferiert werden. Auch dies hat ein Zwei-Mann-Team eine Woche lang beschäftigt.

Du hast dich bereits in früheren Arbeiten mit Bewegung und Perspektiven, mit dem Verhältnis von Nähe und Distanz befasst – nicht zuletzt, um das Verborgene sichtbar zu machen. Was ist es, das „0,0064 Megapixel“ uns zeigt?

In meiner Version des Bildes sehen die Besucher aus der Bodenperspektive nur „abstrakte Farben“. Erst in der Übersicht setzen sich die quadratischen Pixel zu dem Bild zusammen, das dem „blauen Planeten“ seinen Namen gab. Das Bild können wir vom Dach der Bundeskunsthalle aus erahnen, aber erst aus Satellitensicht wirklich erkennen.
So wie 1968 erst der „technische Blick“ notwendig war, um die Verletzlichkeit des Planeten zu erkennen, lässt sich auch meine Arbeit erst über ein Satellitensystem oder andere Mittel der Beobachtung aus der Luft semantisch erschließen.
Das verpixelte Bild ist ein reiner Verweis auf das Originalbild, hat aber nicht die gleiche fotografische Authentizität, denn die Pixel bleiben immer sichtbar. Es ist mir sehr wichtig, dass das Bild als Medium, das bilderzeugende Verfahren als technisches Artefakt und konstruierende Apparatur, vom Betrachter mit gesehen wird. „Earthrise“ zeigt auch, wie stark Bilder uns beeinflussen und dass sie mehr und mehr Text ersetzen. Dies gilt heute mehr denn je.
Die grobe Auflösung erlaubt nicht, Details zu erkennen. Wenn die Besucher also gedanklich aus dem All auf diese Erde zoomen, können sie selbst entscheiden, ob sie schöne Palmenstrände und schneebedeckte Berge oder Meere voll Plastikmüll und schmelzende Gletscher sehen wollen.

Blick vom Dach der Bundeskunsthalle. Der Bauplan des Kunstwerks im Vordergrund, Bauarbeiten am Boden im Hintergrund.
Von der Skizze zum großflächigen Mosaik mit 6.400 Bodenplatten
Eine Aufnahme aus der Luft, geschossen mit einer Drohne.
0,0064 Megapixel aus der Luft betrachtet

Wie wichtig ist es, den eigenen Standpunkt zu verändern, um das Wesentliche zu erkennen?

Eigentlich ist es für alles Handeln unverzichtbar. Bei „Earthrise“ wurde die Erde erst durch den Abstand zu ihr als verletzlich erkannt. Dies löste eine Art Schutzreflex aus, der zur Umweltbewegung führte. Diese Erkenntnis war erst durch den damals neuen „Blick von außen“, nämlich der Fotografie aus dem All, überhaupt möglich. Die Fotos waren nicht nur visuell ein neuer „Point of View“, sondern führten auch zu einer anderen Einschätzung von Natur und somit zur Umweltbewegung.

Deine Arbeit ist im öffentlichen Raum platziert, für jeden zugänglich und begehbar. Was ist die Intention?

Das abstrakte Bild, auf dem der Besucher wandelt, steht für die Komplexität der Systeme, zum Beispiel das Zusammenspiel von Natur, Politik und Wirtschaft. Wir sehen, wie zum Beispiel Donald Trump den Planeten als „cheap deal“ verhökern will. Es fällt uns jedoch schwer, diese Komplexität zu „überblicken“, geschweige denn zu steuern. Die Besucher können mein Bild auch nicht überblicken. Ihnen wird klar, dass viele Details vorenthalten sind, obwohl sie das Bild wiedererkennen.
Dass es begehbar ist, war mir sehr wichtig. Man kann die Kunst gerne mit Füssen treten, runter vom heiligen Sockel, weg von „Don‘t touch“. Ich freue mich, wenn die Kinder auf den Steinen springen, die Biker und Skater es nutzen und dass es behindertengerecht zugänglich ist. Langsam setzt es Patina an, auch das vielleicht ein Symbol für die Verletzlichkeit und stetige Veränderung.

Du arbeitest viel mit Überwachungstechnik und Drohnen, befindest dich im Spagat zwischen digital und analog. Wie stehst du zu unserer technisierten Gesellschaft?

Die Überwachung ist längst weit mehr als ein Instrument zur Sicherung oder Prävention. Sie ist Teil unserer Gesellschaft und unserer Kultur geworden, so traurig das klingt. Egal, ob man sich Alexa ins Wohnzimmer stellt, bei Netflix Filme sieht oder bei Amazon shoppt. Die Drohnen sind ein wunderbares Beispiel militärischer Perversion, bei der – computerspielgleich – ein Soldat ferngesteuert Terroristen oder Zivilisten als Kollateralschaden tötet. Die niedlichen, kleinen Drohnen, die heute jede Fernsehserie begleiten, sind wie viele andere Konsumartikel – egal ob Video, Laser oder Google Earth – militärische Abfallprodukte.

Verändert das auch die Kunst bzw. unseren Blick auf sie?

Die Kunst kann dem meiner Meinung nach nur ein Détournement im Sinne der Surrealisten und Situationisten entgegenstellen. Sie kann auf demselben Kanal Widerstand zurücksenden, mit denselben Mitteln, die uns bedrohen, arbeiten, indem man diese zweckentfremdet.

Wenn „0,0064 Megapixel“ nicht nur Kunstwerk, sondern Mahnmal ist, würdest du dich selbst als politischen Künstler bezeichnen?

Die Arbeit ist eindeutig politisch motiviert. Sie plädiert für den Klimaschutz und wurde für die Klimakonferenz COP 23 konzipiert.
Das mit Hilfe amerikanischer Technik und Erfindergeist ermöglichte Bild steht heute leider auch für die Ignoranz gegenüber einer vernünftigen Klimapolitik, die ausgerechnet durch die momentane US-Regierung boykottiert wird.
Das Wortspiel im Titel meiner Arbeit lehnt sich an David Bowies wunderbaren Song „Space Oddity“ an, der nachweislich nur wenige Tage nach Erscheinen des Bildes in der Times geschrieben wurde. Darin driftet Major Tom, der Raumfahrer, am Mond vorbei in den unendlichen Weltraum und kann nur noch sagen: „Planet Earth is blue and there‘s is nothing I can do.“ Ich habe dort eine weitere Verneinung eingeführt, die sagt: Es gibt nichts, was wir nicht tun können. Im Gegenteil, wir können nur noch eins tun, nämlich handeln. Entschuldigungen sind nicht länger akzeptabel!
In seiner ikonografischen Symbolik steht „Earthrise“ für ein verantwortliches Verhalten aller Menschen. Und wenn es so etwas wie eine Widmung für „0,0064 Megapixel“ gäbe, würde ich, um einem weiteren Bowie Song zu huldigen, folgendes vorschlagen: „Dedicated to all mankind – except the man who sold the world.“


ACHIM MOHNÉ – 0,0064 MEGAPIXEL
Planet Earth is blue and there‘s nothing I can’t do
bis 4. März 2018 auf dem Vorplatz der Bundeskunsthalle

Vimeo

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von Vimeo.
Mehr erfahren

Video laden

  1. Achim Mohné – 0,0064 Megapixel © Achim Mohné / VG Bildkunst, 2018
  2. Achim Mohné – 0,0064 Megapixel © Achim Mohné / VG Bildkunst, 2018
  3. Achim Mohné – 0,0064 Megapixel © Achim Mohné / VG Bildkunst, 2018 (Foto: Kopter-Bonn)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert


Das könnte Sie auch interessieren:

Das größte Projekt der Weltgeschichte

Ist die Erde noch zu retten?

Votivstele, blaues Rechteck mit Armen und Kalb auf den Schultern

Forschende Kunst

Aleksandra Domanović spricht über „Kalbträgerin“

Plastiktüten als Socken

Arved Fuchs über extreme Wetterbedingungen