Porträtwand im Foyer der Bundeskunsthalle: Ich versuch die Entspannung zu geniessen

Ein Porträt voller Aussagen

Gigo Propaganda über seine sprechenden Wände

Die Murals des Essener Streetartists Gigo Propaganda, seine großflächigen Wandgestaltungen, zählen zu den provokantesten und stilistisch originellsten des Ruhrgebiets. Seine Werke zeichnen sich durch ihre besondere Verbindung von Schrift und Bild aus. Die Wand im Foyer der Bundeskunsthalle veränderte sich täglich und alle Besucher konnten den Wandlungsprozess in Echtzeit mit verfolgen. Wir haben die Gelegenheit genutzt und Gigo einige Fragen gestellt.

Du arbeitest für dieses Porträt eng zusammen mit der TOUCHDOWN-Crew. Wie genau kann man sich diese Zusammenarbeit vorstellen?

Zusammen mit meinem Filmemacher Robby haben wir bei der Eröffnung der TOUCHDOWN-Ausstellung sehr viel gefilmt, viele Gespräche geführt und eben auch versucht herauszufinden, was „Touchdown“ in diesem Fall bedeutet, welche Themen besonders wichtig sind. Ab diesem Zeitpunkt fing die Zusammenarbeit eigentlich schon an, weil die Leute uns die Inhalte für das Porträt bereits dort geliefert und wir diese dann an der Wand verschriftlicht haben.

Die Gespräche waren also der Ursprung. Gab es weitere Inspirationsquellen?

Da war zum Beispiel eine Dichterin mit Down-Syndrom aus Serbien, von der wir drei Gedichte an die Wand gemalt haben. Wir versuchen, die Themen der Ausstellung, wie Inklusion, Freiheit oder Liebe, auf diese Weise noch einmal in den Vordergrund zu rücken.

Gab es auch Sprüche oder Statements, die schon im Vorfeld eingeplant waren?

Nein, das geht gar nicht, weil alle Leute eingeladen sind, mit zu machen. Auch Besucher sprechen mich immer wieder an. Jedes Gespräch kann den Weg ändern. Wenn eine Person oder Gruppe irgendetwas zu einem Zitat oder Spruch an der Wand sagt, also ein Statement dazu abgibt, kann es sein, dass ich das dort Stehende mit dem Gesagten übermale. Das Ganze funktioniert ein bisschen wie in sozialen Netzwerken, ein Post folgt auf den nächsten.

Kommunikation ist wichtig. Und wenn es mir einmal zu viel sein sollte, setze ich mir Kopfhörer auf.

Wenn du im Foyer malst, kann also jede Person etwas zu deiner Arbeit sagen und jeden deiner Schritte beobachten. Worin liegt der Reiz, live an deinen Werken zu arbeiten? Gibt es auch Momente, in denen es dich stört, nicht allein zu sein?

Ich mache das jetzt schon seit Jahren, bin es also gewohnt. Ich finde es schön, wenn ich immer wieder ins Gespräch mit anderen Leuten kommen kann, weil man direkt ein Feedback von ihnen bekommt. Kommunikation ist wichtig. Und wenn es mir einmal zu viel sein sollte, setze ich mir Kopfhörer auf.

„Frei von primären Bezugspersonen“ war der erste Satz deines Porträts. Was hat es damit auf sich?

Der Satz kommt aus der ersten Begegnung mit der Redaktion vom „Ohrenkuss“. In diesem Gespräch wurde Robby und mir ziemlich schnell klar, dass das der ideale Ausgangspunkt sein könnte. Auf Nachfrage hat die Redaktion die Wichtigkeit dieser Aussage bestätigt. Somit stand sie dann direkt zur Eröffnung der Ausstellung an der Wand.

Aber auch dieser Spruch wurde inzwischen übermalt. Warum?

Ich habe neue Erfahrungen gesammelt. Als Aufmacher funktionierte der Satz super, aber letztlich brauchen wir alle Bezugspersonen – ob nun mit oder ohne Down-Syndrom.

Welche Erfahrungen ziehst du noch aus dieser Ausstellung?

Die Ausstellung ist ja keine reine Kunstaustellung, sondern eine Mischung aus Kunst, Wissenschaft und Geschichte. Obwohl ich selbst einen Cousin mit Down-Syndrom habe, konnte ich viel Neues lernen. Während dieser Zusammenarbeit und der Auseinandersetzung mit der Ausstellung sind verschiedene Fragen aufgetaucht, wie zum Beispiel „Können Menschen mit Down-Syndrom Kinder haben?“ oder „Können sie auch Kinder ohne Down-Syndrom bekommen?“. Also Fragen, die, warum auch immer, im Alltag vorher nie aufgetaucht sind.

Gigo Propagandas arbeitet an seiner Porträtwand
Porträtwand im Foyer der Bundeskunsthalle: Ich versuch die Entspannung zu geniessen
Porträtwand im Foyer der Bundeskunsthalle: Was für ein Nachbar bist du dass du lügst
  1. Gigo Propagandas Porträtwand im Foyer, Foto: Karla Stretz, 2016, © Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland GmbH
  2. Gigo Propagandas arbeitet an seiner Porträtwand, Foto: Karla Stretz, 2016, © Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland GmbH
  3. Gigo Propagandas Porträtwand im Foyer, Foto: Karla Stretz, 2016, © Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland GmbH
  4. Gigo Propagandas Porträtwand im Foyer, Foto: Karla Stretz, 2016, © Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland GmbH

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