Das Porträt der Familie Sam

Ein geheimnisvolles Bild von Aelbert Gerritsz. Cuyp

Im Ausstellungskapitel „Residenzen und Festungen“ zieht das großformatige Bild Das Porträt der Familie Sam die Aufmerksamkeit auf sich. Gemalt hat es der holländische Künstler Aelbert Gerritsz. Cuyp (1620–1691), der in seiner Geburtsstadt Dordrecht Karriere gemacht hat. Seine Spezialität war die niederländische Landschaft, die er in goldenes, mediterranes Licht tauchte. Interessanterweise hatte er dieses Licht selbst nie gesehen, sondern von anderen Malerkollegen abgeschaut. Auf unserem Bild ist zwar eine (Fluss-)Landschaft im Hintergrund zu sehen, aber im Vordergrund sind zahlreiche Personen dargestellt, die der Maler etwas steif und förmlich porträtierte, die Familie Sam. Ein Familienporträt also, das auf den ersten Blick nur wenig mit unserer Rhein-Ausstellung zu tun hat. Aber das Bild steckt voller versteckter Inhalte.

Im 17. Jahrhundert dienten solche Porträts der Selbstdarstellung. Die nördlichen Niederlande wurden damals unabhängig. Die Bürger ließen sich sehr gerne porträtieren, um so ihren gesellschaftlichen Status und politisches Selbstbewusstsein zur Schau zu stellen. So auch die Familie Sam. Vieles deutet auf ihren Wohlstand hin, z. B. die Jäger auf der rechten Seite oder die Weintrauben, die das Mädchen im blauen Kleid in der Hand hält. Üblicherweise ließ man sich vor einer niederländisch anmutenden Landschaft porträtieren, um auch dem Stolz auf sein Land Ausdruck zu verleihen. Doch ist die Flusslandschaft im Hintergrund keine niederrheinische, die Cuyp kannte, sondern eine mittelrheinische. Der Maler hat hier die Stadt Bacharach wiedergegeben, das belegt ein Vergleich mit einem Stich von Matthäus Merian aus dem 16. Jahrhundert.

Und warum hat eigentlich der Junge mit dem Turban ein Eichhörnchen an der Leine?

Ob dies mit dem Beruf des Auftraggebers zusammenhängt? Abraham Sam war Weinhändler in Dordrecht und hatte sicherlich Kontakte zu den rheinischen Weinregionen. Oder hat der Maler hier eine Landschaft eingebaut, um etwas Abwechslung in seine Werke zu bringen? So wie er es mit der Kleidung gemacht hat, die von traditioneller bürgerlicher Tracht des 17. Jahrhunderts zu fantasievollen, exotisch anmutenden Kleidungsstücken, wie z.B. den Turbanen, reichen? Und warum hat eigentlich der Junge mit dem Turban ein Eichhörnchen an der Leine? Seit der Antike bis ins 20. Jahrhundert waren gezähmte Eichhörchen beliebte Haustiere. Zahlreiche Maler haben das niedliche Tierchen zum Modell gemacht, aber je nach Jahrhundert und Kontext hatte es natürlich eine unterschiedliche Bedeutung. So konnten Eichhörnchen Sinnbild für Fleiß, aber auch für den Teufel und das Böse sein. Auf unserem Familienporträt ist es jedoch schlicht und einfach ein Haustier, das der Junge an der Leine hält.

Werfen wir noch einmal einen genauen Blick auf die Familie Sam: Die Darstellung verschiedener Generationen ist charakteristisch für die niederländischen Familienporträts, die unterschiedlichen Altersstufen repräsentieren hier das harmonische Miteinander. Die Familie wohnt der Rückkehr einiger ihrer Mitglieder von der Jagd bei. Die Jagd, früher ein Privileg des Adels, war zu Cuyps Zeiten sehr populär und stets ein Hinweis auf den Wohlstand der Porträtierten. Diese Tatsache bestätigen auch weitere Details im Bild, wie z. B. die Weinrauben, die das Mädchen im Vordergrund hält, oder die exotisch anmutende Kleidung der Dargestellten.

Die Kleidung ist tatsächlich ein Thema für sich. Einige Familienmitglieder tragen die recht streng wirkende niederländische Tracht der 1650er Jahre, aber der kleine Junge mit dem Eichhörnchen ist in eine orientalisch anmutende Tunika gehüllt und trägt einen Turban, genau wie der Mann im Hintergrund. Die Jäger sind alle unterschiedlich gekleidet. Der Junge mit den beiden Hunden trägt einen Reiterrock, der mit dem Vogel einen samtenen dolman, ein sehr populäres, eigentlich ungarisches Kleidungstück, der dritte schließlich wieder einen Turban und außerdem einen exotischen Säbel. Cyup verband, wie so viele Maler seiner Zeit, westliche und östliche Mode in seinen Bildern, um seine Figuren reich und exotisch wirken zu lassen. Dabei spielte die geografische und historische Genauigkeit in Bezug auf die Kleidung überhaupt keine Rolle. Die Bedeutung dieser Kleidung war der Familie Sam sicherlich bekannt und Teil ihrer Selbstdarstellung.