Schwarz-Weiß-Foto eines Malerfürsten-Ateliers

Die Retusche am Lebenslauf

Wie die Malerfürsten die eigene Vergangenheit beschönigten

Die Huldigung als Malerfürst markierte den Höhepunkt der Karriere, aber wie wild oder extravagant durfte ein Maler eigentlich sein, bevor er diesen Status erreichte? Welche Grenzüberschreitungen wurden einem Malerfürsten als Jugendsünden verziehen? Wovon distanzierten sich die Künstler selbst, was beschönigten sie und wie gingen sie dabei vor?

Vernichtete Bilder, verkaufte Skizzen

Radikal entledigte sich Franz von Lenbach 1862 seiner künstlerischen Vergangenheit. Er lehrte an der neu gegründeten Weimarer Kunstschule, gab seine Stellung jedoch auf. Er trennte sich von seinem Frühwerk, zu dem beispielsweise das berühmte Freilichtgemälde Hirtenknabe zählt: Er vernichtete Bilder und verkaufte Skizzen und Studien. Noch 1873 zählte Lenbach sich zur Nachwuchselite und protestierte in München gegen die Ausstellungspolitik der Künstlergenossenschaft, indem er – wie auch Friedrich August von Kaulbach und Hans Makart – Mitglied des neu gegründeten, anfangs sezessionistischen Vereins Allotria wurde.

Erfolg statt Sozialkritik

Als Max Liebermann 1873 nach Paris zog, tat er dies tief beeindruckt: „Munkácsy zog mich mächtig an…“ (Max Liebermann, Gesammelte Schriften, Berlin 1922, S. 4.)
Munkácsy jedoch litt unter Depressionen, zerstörte 1872 eines seiner Gemälde und beging einen Selbstmordversuch. Unter der Regie seiner Ehefrau, die den Ungarn 1874 heiratete, wandelte sich dann seine Malerei: Bildthemen und Stil wurden dem neuen Habitus angepasst. Sozialkritische Genremotive verschwanden mit dem gesellschaftlichen Aufstieg aus seinem Werk. Mit seinen Salonbildern und Historiengemälden erfand sich Munkácsy ab 1877 als Maler neu. Seinen internationalen Erfolg steigerte er damit immens.

Die Ehefrau als Modell

Hans Makart startete als Skandalmaler durch. Morbide Erotik war das, was er in seinen ersten berühmten Werken darbot: Gepaart mit virtuoser, die sinnliche Wahrnehmung ansprechende Maltechnik und aufsehenerregenden Farbeffekten präsentierte er in Moderne Amoretten und Die Pest in Florenz unterschiedlich stark verhüllte bleiche Körper in Haltungen, die den akademischen Anatomie- und Perspektivunterricht verspotteten. Mit Die scheintote Julia Capulet am Hochzeitsmorgen wählte Makart in Wien zwar ein bekanntes und braveres Thema, blieb sich aber dabei treu: seine schöne Ehefrau Amalie war das Modell für die scheintote Julia.

Die Jugendsünde wird zum Hauptmotiv

Im Fall von Franz von Stuck schließlich war es die gegen den Willen der Mutter erfolgte Adoption seiner 1896 unehelich geborenen Tochter Mary, eigentlich Maria Louise Brandmaier, die seinem Werk eine neue Richtung gab. Statt der ledigen Mutter hatte Stuck 1897 Mary Lindpaintner, die Taufpatin seines Kindes, geheiratet. Mit dem Einzug der vom Prinzregenten 1904 für ehelich erklärten Tochter Mary in die Villa Stuck wurde diese zu Stucks wichtigstem Modell. Bis zu ihrer Heirat 1916 wurde sie von ihrem Vater mehr als einhundertmal gemalt oder gezeichnet. Darstellungen wie Mary als Griechin bildeten damit eine feste Größe in dem verkaufsorientierten Schaffen des letzten Malerfürsten, dem es gelang, sogar die Jugendsünde in seinem Lebenslauf zu retuschieren.


MALERFÜRSTEN
bis 27. Januar 2019
in der Bundeskunsthalle, Bonn

  1. Repro; Bundeskunsthalle / Malerfürsten, Foto: Franz Heinbach / Bildkraftwerk
  2. Malerfürsten (Ausstellungsansicht), Foto: Peter-Paul Weiler, 2018 © Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland GmbH
  3. Malerfürsten (Ausstellungsansicht), Foto: Peter-Paul Weiler, 2018 © Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland GmbH
  4. Malerfürsten (Ausstellungsansicht), Foto: Peter-Paul Weiler, 2018 © Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland GmbH

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