live arts – Grandbrothers & Ensemble

Programmieren und Basteln – am Klavier

Im Gespräch mit Grandbrothers

Grandbrothers (Erol Sarp und Lukas Vogel) verbindet die unaufhörliche Suche nach neuen ästhetischen und praktischen Möglichkeiten, Musik zu komponieren und aufzuführen. Ihr Sound zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass jeder Ton, jedes Geräusch durch ein einziges Instrument entsteht. Der Sound ihres klassischen Konzertflügels wird jedoch mit Hilfe eines einzigartigen Systems aus elektromechanischen Hämmern bis zum Äußersten erweitert, verschoben und ausgereizt. Für ihre beiden live arts-Konzerte in der Bundeskunsthalle wurden sie zudem von einem klassischen Ensemble begleitet. Wir konnten Sarp und Vogel im Vorfeld einige Fragen stellen.

Ihr habt in Düsseldorf zusammen Ton- und Bildtechnik studiert. Wann war klar, dass ihr gemeinsam Musik machen wollt? Und v.a. welche? War die Rollenverteilung schnell klar?

Erol: 2007 haben wir uns zum Studienbeginn am Institut für Musik und Medien kennengelernt und sehr schnell angefreundet. Irgendwann im Sommer 2011 kam dann das erste Mal die Idee auf, dass wir unsere Fähigkeiten kombinieren und einfach mal ein wenig Musik machen könnten. Wir mussten zu der Zeit eine etwas umfangreichere Prüfung ablegen, bei der wir dachten, dass das, was sich dann später als Grandbrothers entwickelt hat, ganz gut passen könnte. Es war von Anfang an klar, dass der Flügel im Zentrum stehen sollte. Konventionelles Spiel gemischt mit Möglichkeiten, die der Computer einem bietet, musikalisch irgendwo zwischen Steve Reich, Ryuichi Sakamoto und elektronischen Acts, die wir beide gut fanden.

Lukas: So wie man uns heute auf der Bühne sieht, war es von Anfang an: Meine Stärken liegen im Programmieren und Basteln, Erols eher im Klavierspiel.

Erklärt doch bitte, wie die elektromechanisch gesteuerten Hämmer funktionieren! Und worin liegt der Reiz eures dogmatischen Ansatzes mit dem präparierten Piano zu spielen?

Erol: Der Reiz liegt gerade in der Limitierung, der wir bis heute treu geblieben sind. Es ist nach wie vor sehr spannend mit dem Flügel zu experimentieren. Das betrifft zum einen den natürlichen Sound, den man durch normales Spielen erzeugt, zum anderen aber auch vor allem perkussive und „experimentelle“ Klänge, die man durch Klopfen, Schlagen oder Streichen des Korpus, oder durch die Manipulation der Saiten erhält. Eine der ersten Ideen, die wir hatten, war, dass wir den Flügel auch vom Computer aus spielen können wollten und so sind nach und nach die kleinen Hämmer entstanden, die wir beispielsweise über den Saiten (Cembalo-ähnlicher Sound) oder am Holz oder Metallteilen (perkussiver Sound) anbringen.

Lukas: Ich kann sie entweder manuell spielen oder eine Sequenz einprogrammieren, in der dann beispielsweise fünf Hämmer auf den Saiten und drei Hämmer am Holz beliebige Rhythmen spielen. Wichtig ist dabei vielleicht noch zu wissen, dass wir nicht alle Saiten abgedeckt haben, sondern sie bei Bedarf an die richtigen Töne schieben müssen.

„Der Reiz liegt gerade in der Limitierung.“

Wie wichtig sind euch Live-Auftritte und der direkte Kontakt mit dem Publikum?

Lukas: Wir haben nach dem ersten Auftritt vor ungefähr sieben Jahren gemerkt, dass die Musik eine starke Faszination auf das Publikum ausübt. Zusammen mit der Installation, die bis heute immer wieder Leute auf die Bühne zum Verstehen und Fotos machen anlockt, war uns schnell klar, dass wir das öfter auch live machen wollen. Im Studio an den Stücken zu arbeiten ist eine Sache – diese Stücke dann live zu spielen und (hoffentlich positive) Reaktionen vom Publikum zu kriegen ist, denke ich, für jeden Musiker das Wichtigste, und das, was einen anspornt weiterzumachen.

Erol: Wir sind auch immer daran interessiert mit den Leuten zu reden und laden sie, wenn es die Bühnensituation zulässt, dazu ein, sich alles genau anzugucken und auch das Gespräch mit uns zu suchen.

Man findet euch auf Elektrofestivals und in Konzerthäusern. Ganz ehrlich: Was macht mehr Spaß? Und passt ihr euer Set dem jeweiligen Publikum an?

Erol: Beides hat seine Vorteile: Im klassischen Konzerthaus ist die Atmosphäre in den meisten Fällen sehr konzentriert und es geht ganz klar um die Musik. Dort spielen wir dann vor allem die ruhigeren Stücke. Im Club oder auf Festivals ist alles viel lockerer – die Leute laufen rum, reden, trinken Bier und tanzen im besten Fall. Dort herrscht oft eine sehr intensive Energie, die sich schnell auf uns übertragen kann. Um ehrlich zu sein finden wir Stehkonzerte gerade ein wenig besser. Oftmals eben, weil wir das Gefühl haben, dass unsere Musik, die ja viele Beat-Elemente hat, noch besser funktioniert.

live arts – Grandbrothers & Ensemble
live arts – Grandbrothers & Ensemble
live arts – Grandbrothers & Ensemble
live arts – Grandbrothers & Ensemble
live arts – Grandbrothers & Ensemble
live arts – Grandbrothers & Ensemble
live arts – Grandbrothers & Ensemble
live arts – Grandbrothers & Ensemble
  1. live arts – Grandbrothers, Foto: Barbara Frommann, 2019 © Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland GmbH
  2. live arts – Grandbrothers, Foto: Barbara Frommann, 2019 © Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland GmbH
  3. live arts – Grandbrothers, Foto: Barbara Frommann, 2019 © Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland GmbH
  4. live arts – Grandbrothers, Foto: Barbara Frommann, 2019 © Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland GmbH
  5. live arts – Grandbrothers, Foto: Barbara Frommann, 2019 © Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland GmbH

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