Kaffee, Kunst und Kapitalismus

„Work with us“ von Gisèle Gonon

Warum arbeiten wir eigentlich? Wie wichtig sollte der Beruf in unserem Leben sein? Was muss ich für meinen Beruf alles opfern? Diese Fragen stellt die französische Künstlerin Gisèle Gonon in ihrer intermedialen Installation Work with us. Dazu verwendet sie eine Reihe von ungewöhnlichen Materialien: Im Kreis um ein Wasserrad, das augenscheinlich mit Kaffee betrieben wird, stehen Jalousien, die mit kurzen Texten beschrieben sind.

„You want to be a part of our success story?“ steht auf einem Rollo, ein anderer wirbt mit „Fresh fruits, cereals und soft drinks.“ Im Hintergrund verspricht eine roboterhafte Stimme eine kreative, moderne Arbeitsumgebung. Die Künstlerin zeigt damit wie sehr sich unser Bild von Arbeit verändert hat: Arbeit ist nicht mehr nur ein Broterwerb, sondern soll die wichtigste sinnstiftende Tätigkeit im Leben sein. Junge Unternehmen suchen nicht mehr nur kompetente Angestellte, sondern Menschen, die mit Leidenschaft hinter den Werten der Firma stehen. Dabei verschwimmt auch die Grenze zwischen Beruf und Privatem: Das Team auf der Arbeit wird zur zweiten Familie, Kollegen werden zu guten Freunden.

Ein Blick auf die Stellenangebote vieler junger Unternehmen bestätigt das sehr eindrücklich: Mit dem Slogan „Do the most meaningful work of your career“, also „Mach die sinnvollste Arbeit deiner Karriere“ überschreibt der Internetkonzern Facebook die Website mit seinen Jobangeboten. Noch weiter geht das Berliner Lebensmittel-Startup „Hellofresh“: „Sei Teil unserer Familie“ heißt es auf ihrer Website gemeinsam mit Versprechen  von modernen Büros in Berlin und einem dynamischen Team.

Ganz bewusst weist Gisèle Gonon auf die Kehrseite des Systems hin: Im Kapitalismus ist immer die Leistung des Menschen für das Unternehmen wichtiger, als der Mensch selbst. Einerseits soll der Mitarbeiter bzw. die Mitarbeiterin voller Leidenschaft dabei sein und Teil der Erfolgsgeschichte des Unternehmens werden. Auf der anderen Seite sorgt das Unternehmen nur so lange für den Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin, bis er oder sie durch einen leistungsfähigeren Bewerber bzw. eine Bewerberin ersetzt werden kann.

Das zeigt der zweite Teil der Installation: Im Zentrum der Jalousien steht ein Wasserrad, gebaut aus Fahrradspeichen und Kaffebechern. Eine als Kaffee erkennbare Flüssigkeit fließt in die Becher und setzt das Rad in Bewegung. Laut Gonon repräsentiert das Wasserrad das „Noria-Prinzip“. Mit diesem Rechenmodell lässt sich berechnen, wann es für eine Firma am rentabelsten ist, sich von alten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu trennen und neue, leistungsfähigere Bewerberinnen und Bewerber einzustellen. Diesen auf Leistung getrimmten Kreislauf aus „hire and fire“ stellt die Künstlerin mit ihrem „Kaffeerad“ dar.

Die Installation Work with us und viele weitere Werke von insgesamt 13 Künstlerinnen und Künstlern erwartet Sie in der Ausstellung State of the Arts. Die Verschmelzung der Künste. Wer sich für den Kapitalismus als gesellschaftliches System interessiert, der kommt auch in der Schau Wir Kapitalisten. Von Anfang bis Turbo voll auf seine Kosten.